Spruch für die Woche aus dem Johannesevangelium:
Jesus sagt: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.
Lied für die Woche:
Jesu, meine Freude (im Evangelischen Gesangbuch Nr. 396)
Den Bibeltext, der an diesem Sonntag Lätare im Mittelpunkt der Predigt steht, können wir beim Propheten Jesaja im Ersten Testament nachlesen (Kapitel 54, Verse 7-10):
Gott sagt: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln. Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser.
Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, dass die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, dass ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will.
Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.
Liebe Schwestern und Brüder,
der letzte Vers des Textes ist der Konfirmationsspruch meines Bruders. Ein wohltuender Satz, weil er Sicherheit gibt. Sicherheit durch unbedingte Nähe.
1986 starb mein Bruder völlig unerwartet. Nicht einmal 23 Jahre alt, jung verheiratet, Vater eines 6 Monate alten Mädchens. Mir war in jener Zeit, als ob Gott sein Versprechen gebrochen hatte.
Wochen nach der Beerdigung meines Bruders las ich in der Bibel wieder seinen KonfiSpruch, und da fiel zum ersten Mal mein Blick auf den Satz, der wenige Zeilen vorher bei Jesaja geschrieben steht: Gott sagt: „Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen…“ Und ich empfand ihn als heilsam, weil ich in ihm las, was ich selbst gerade erlebte: Von Gott verlassen und bestraft fühlen. Mit Jesus die Frage, ja Anklage herausschreien: „Warum, Gott, warum?“ Keinen Boden mehr unter den Füßen spüren. Und trotzdem ahnen: Gottes Barmherzigkeit, Gottes Warmherzigkeit bleibt in meinem Leben.
Unter allen Schmerzen, Tränen, Zweifeln wuchs für mich eine Gewissheit, wuchs langsam wie das Gras im Frühling: Gott ist kein Talismann, der mich auf wundersame Weise vor allem Unglück schützt. Manchmal wünsche ich mir genau solch einen. Dann erinnere ich mich: Gott ist mehr. Im Un-Glück bleibt er bei mir, oft „still und unerkannt“. Und oft ist er der Letzte, die bleibt.
Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen… Diese Worte lese ich in diesen Tagen und denke mit großer Hochachtung an die vielen Mitarbeitenden, die in Krankenhäusern und Kaufhallen bis zur Erschöpfung arbeiten; an die vielen Mitmenschen, die Angst haben um ihre wirtschaftliche Existenz. Ich denke an die Abiturientinnen und Abiturienten und an die Eltern – und an die Altgewordenen, die in Seniorenheimen vergeblich auf einen Besuch warten. Und ich wünsche mir, dass alle erleben können: Gott bleibt.
Worte sind dürr, um diese Erfahrung wiederzugeben. Johann Sebastian Bach hat sie in Noten gefasst, in seiner Motette „Jesu, meine Freude“. In der 3. Strophe heißt es:
„Gottes Macht hält mich in acht,
Erd‘ und Abgrund muss verstummen,
ob sie noch so brummen.“
Hört Euch diese wundervolle Musik an! Ich spüre in ihr: Tatsächlich, in aller Furcht, in allen Abgründen, in allen Zweifeln, in aller Hilflosigkeit: Gottes Macht hält mich in acht.
Dieses zu erleben, das wünsche ich euch von Herzen!
Herzlich verbunden,
Gebet:
Jesu, meine Freude. Wir singen so unter deinen Schirmen. Allein, und doch nicht allein.
Was wir gerade erleben, verstört und verängstigt uns. Gerade jetzt halt uns, damit wir aushalten können!
Schütze alle, die Sorge tragen für unser Gemeinwesen! Wir sind in deiner Hand.
Amen.