Quasimodogeniti, 19.04.2020

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

Evangelisches Gesangbuch Nr. 117:

Der schöne Ostertag

1. Der schöne Ostertag! Ihr Menschen, kommt ins Helle! Christ, der begraben lag, brach heut aus seiner Zelle. Wär vorm Gefängnis noch der schwere Stein vorhanden, so glaubten wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden, erstanden.

2. Was euch auch niederwirft, Schuld, Krankheit, Flut und Beben – er, den ihr lieben dürft, trug euer Kreuz ins Leben. Läg er noch immer, wo die Frauen ihn nicht fanden, so kämpften wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden, erstanden.

3. Muss ich von hier nach dort – er hat den Weg erlitten. Der Fluss reißt mich nicht fort, seit Jesus ihn durchschritten. Wär er geblieben, wo des Todes Wellen branden, so hofften wir umsonst. Doch nun ist er erstanden, erstanden, erstanden, erstanden.


Quasimodo

oder zum Lesen:

Evangelium aus Johannes im Kapitel 20:

Es war schon spätabends an diesem ersten Wochentag nach dem Sabbat. Die Jünger waren beieinander und hatten die Türen fest verschlossen. Denn sie hatten Angst vor den jüdischen Behörden. Da kam Jesus zu ihnen. Er trat in ihre Mitte und sagte:
»Friede sei mit euch!« Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Die Jünger waren voll Freude, weil sie den Herrn sahen.
Thomas, der auch Didymus genannt wird, gehörte zum Kreis der Zwölf. Er war jedoch nicht dabei gewesen, als Jesus gekommen war. Die anderen Jünger berichteten ihm: »Wir haben den Herrn gesehen!« Er erwiderte: »Erst will ich selbst die Löcher von den Nägeln an seinen Händen sehen. Mit meinem Finger will ich sie fühlen. Und ich will meine Hand in die Wunde an seiner Seite legen. Sonst glaube ich nicht!« Acht Tage später waren die Jünger wieder beieinander. Diesmal war Thomas mit dabei. Wieder waren die Türen verschlossen. Da kam Jesus noch einmal zu ihnen. Er trat in ihre Mitte und sagte: »Friede sei mit euch!« Dann sagte er zu Thomas: »Nimm deinen Finger und untersuche meine Hände. Strecke deine Hand aus und lege sie in die Wunde an meiner Seite. Du sollst nicht länger ungläubig sein, sondern zum Glauben kommen!« Thomas antwortete ihm: »Mein Herr und mein Gott!« Da sagte Jesus zu ihm: »Du glaubst, weil du mich gesehen hast. Glückselig sind die, die mich nicht sehen und trotzdem glauben!«

Liebe Schwestern und Brüder,

„Na, nu is ja das alles vorbei.“, begrüßte mich eine Frau am vergangenen Mittwoch auf einem unserer Kirchhöfe.

Im ersten Moment dachte ich, sie meinte die strengen Maßnahmen. Nach ein paar Sätzen wusste ich, dass sie das Osterfest meinte. Ja, die rot gekennzeichneten Tage im Kalender sind vorüber, die ersten Ostereier verschwinden schon wieder aus den Vorgärten.

Ein Blick ins Gesangbuch hilft uns zu verstehen, wie das mit der Osterzeit gemeint ist: Unter Nummer 954 sind alle Sonntage des Jahres aufgeführt. Jeder Sonntag hat einen Namen. Manche sind sehr schlicht, aber die Namen der Sonntage nach Ostern klingen beinahe wie ein Gedicht: Quasimodogeniti (Wie die neugeborenen Kinder), Miserikordias Domini (die Barmherzigkeit des Herrn), Jubilate (Jubelt!), Kantate (Singt!), Rogate (Betet!). Das alles sind Sonntage in der österlichen Festzeit. Ich sehe daran: Die Freude über das, was Ostern ausmacht, passt nicht in 2 kurze Tage. Um sie auszukosten, haben wir 40 Tage Zeit.

Jeder dieser 5 Sonntage rückt einen der grundlegenden Bausteine unseres Glaubens ins Rampenlicht:

Wir feiern, dass Jesus alle Abgründe und Mauern überwunden hat und wir dadurch wie neugeboren sind. Wir sonnen uns in der Warmherzigkeit Gottes. Und da Glaube ein starker Motor ist, bewegt er uns: zum Jubeln, sprich: Danken. Zum Singen, auch mit müden Stimmen. Zum Reden mit Gott und Bitten für Andere.

In diesem Jahr will vielen von uns die österliche Freude nicht so recht gelingen. Eine bedrohliche Situation, eine zum Stillstand gezwungene Gesellschaft, Ängste, Sorgen, Einsamkeit – all das belastet uns. Und nun auch noch die klare Ansage, dass Gottesdienste zu Quasimodogeniti, Miserikordias Domini und bis auf weiteres untersagt bleiben. Ich halte mir dann vor Augen: Ostern ist deswegen nicht abgesagt. Gerade in der bizarren Zeit will die gute Nachricht vom Ostermorgen in unser Leben einziehen.

Am schönsten wäre es, wenn diese Osterfreude trotzdem greifbar werden könnte – so, wie es sich Thomas im Evangelium gewünscht hat. Da wir alle gerade verpflichtet sind, zu Hause zu bleiben, geht das Greifbarwerden auch zu Hause: Ich lade ein, den Esstisch entsprechend dem Sonntag zu dekorieren. Das kann ich alleine, oder die Kinder übernehmen es. Durch verschickte Fotos kann ich Verwandte und Freunde/innen an den österlichen Freudentisch „einladen“. Also auf denn:

Am 19.04. ist Quasimodogeniti: Ich stelle auf den Tisch die Taufkerzen meiner Kinder. Eigene Kinderfotos kommen dazu: Gibt es eine Erinnerung an meine Kindheit oder an die meiner Kinder, die mir besonders lieb und wert ist? Ich trage das besondere Gefühl in mir, als ich meine Kinder nach der Geburt das erste Mal im Arm hielt.

Miserikordias Domini ist der Sonntag des Guten Hirten: Vielleicht gibt es eine alte, eine Konfirmationsbibel, in der der Psalm 23 aufgeschlagen und auf den Tisch gelegt wird. Die Kinder suchen alle Plüsch- und sonstigen Schafe zusammen. Oder ein Wollschal liegt als Tischläufer aus und erinnert, wie er im Winter wärmt – so wie die Zuwendung Gottes uns wärmt.

Jubilate: Grund zum Jubeln, zum Danken haben wir. Gut ist, sich daran zu erinnern. Stifte und Zettel liegen parat. Darauf kann ich schreiben, wofür ich dankbar bin, und diese Zettel werden dann versteckt: Im Küchenschrank, zwischen den Handtüchern, in der Schreibtischschublade – wo auch immer im Haushalt. Und plötzlich, wenn ich wieder mal hektisch nach dem Brotmesser suche, finde ich den Dankezettel und werde mitten in meinem Alltag erinnert, dass ich viel Grund zum Jubeln habe.

Kantate: Das mit dem Singen ist für die Einen eine große Freude, für die Anderen eine große Anstrengung. Natürlich ist Singen passend an diesem Sonntag, von „Christ ist erstanden“ bis „80 Millionen“. Ich kann auf dem Tisch Liederbücher aufschlagen mit dem Lieblingslied. Eines meiner Lieblingslieder ist „Fröhlich soll mein Herze springen“. Oder ich lege die CD mit der Mucke, die ich gerne und laut im Auto höre, bereit.

Rogate: Gebete sind die starken Bänder, die mich mit Gott und mit anderen Menschen verbinden. Diese Bänder sind sehr unterschiedlich: Ein Stoßgebet, ein Dankgebet, eine inständige Bitte … Für diesen Sonntagstisch werden unterschiedliche Bänder ausgesucht und um die Schüsseln und Teller gelegt.

Nun stelle ich mir vor: Sonntags an unseren Tischen. Manche sind allein, manche sitzen mit der Familie, und bei allen die Frohe Botschaft sichtbar, greifbar, fühlbar. So sicher wie der Frühling eingezogen ist, zieht Ostern ein in unser Leben.

Es ist nicht vorbei. Nicht die Sorgen. Vor allem aber nicht die Osterfreude.

Dass Sie durch diese Zuversicht getragen werden in dieser Zeit wünscht herzlichst

Pfarrerin Rahel Charlotte Mielke

Gebet:
Jesus Christus,
auferstanden bist du. Freude und Zuversicht schenkst du. Nicht irgendwann: Jetzt und hier.
Wir werden müde unter allen Belastungen dieser Zeit. Gib uns langen Atem!
Wir verlieren Ostern aus dem Blick. Schenk uns kleine Auferstehungen mitten in unserem verwirrenden, alltäglichen Leben.
Wir vermissen die Gemeinschaft der Schwestern und Brüder. Du bist bei uns, klar und unsichtbar. Danke!

Amen.