Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!
Evangelisches Gesangbuch 302:
1. Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd; ich will ihn herzlich loben, solang ich leben werd.
2. Wohl dem, der einzig schauet nach Jakobs Gott und Heil! Wer dem sich anvertrauet, der hat das beste Teil, das höchste Gut erlesen, den schönsten Schatz geliebt; sein Herz und ganzes Wesen bleibt ewig unbetrübt.
3. Hier sind die starken Kräfte, die unerschöpfte Macht; das weisen die Geschäfte, die seine Hand gemacht: der Himmel und die Erde mit ihrem ganzen Heer, der Fisch unzähl’ge Herde im großen wilden Meer.
Paulus schreibt an die Gemeinde in der griechischen Stadt Kolossä (Kapitel 3, 12ff):
Gott hat euch als seine Heiligen erwählt, denen er seine Liebe schenkt. Darum legt nun die entsprechende »Kleidung« an:
herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Freundlichkeit und Geduld. Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorwirft. Wie der Herr euch vergeben hat, so sollt auch ihr vergeben! Und über all das legt die Liebe an. Sie ist das Band, das alles andere zusammenhält und vollendet. Das Wort, in dem Christus gegenwärtig ist, wohne in reichem Maß bei euch. Belehrt euch gegenseitig und bringt euch zur Vernunft. Tut das in aller Weisheit. Singt Gott aus vollem Herzen Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder. Denn er hat euch Gnade geschenkt.
Liebe Schwestern und Brüder,
es schneidet mir ins Herz: Ausgerechnet das Singen, schönster Ausdruck der Gemeinschaft, gilt als eine Quelle von sehr hohem Infektionsrisikos.
Ich singe gerne. Auch bei den Worten von Paulus fällt mir als erstes ein Lied ein. Mit einem Augenzwinkern der (offensichtlich gerade zur Diskussion um die Gestaltung der Gottesdienst passende) Schlager „Wir lassen uns das Singen nicht verbieten…“, v. a. aber das bekannte Kinderlied „Grün, ja grün sind alle meine Kleider…“ Endlos viele Strophen hat es. In der kindergartenlosen und schullosen Zeit können wir Eltern im Rahmen von home schooling noch neue dazu dichten: „Türkis, türkis sind alle meine Kleider, türkis, türkis ist alles, was ich hab; denn ich liebe, alles, was türkis ist, weil mein Schatz OP-Schwester ist.“
Bestimmte Berufsgruppen tragen bestimmte Kleidung. Das hat einen Widererkennungseffekt, das schafft Vertrauen: Ich weiß sofort, wer hinter den Kleidern steckt. Eine Ärztin im weißen Kittel, ein Polizist in blauer Uniform, eine Pfarrerin im schwarzen oder weißen Talar.
Paulus beschreibt die Kleidung von uns Christen. Gleich fällt mir auf: Kleidung, die ich anziehe, die muss entweder für mich praktisch sein oder mir gefallen oder eben meinen Berufsstand kennzeichnen. Die Anziehsachen, von denen Paulus schreibt, sind nicht zuerst für mich da, sondern für meine/n Nächste/n. Zum Beispiel das Kleidungsstück „herzliches Erbarmen“, aus der Sprache, in der Jesus zu Hause war, besser übersetzt mit „Warmherzigkeit“. Warmherzig bin ich, wenn ich den/die Andere/n nicht ausgrenze oder in Schubladen stecke a la „Kinder sind zu laut, die Jugendlichen verroht, mein Nachbar faul, weil er nicht mal seinen Vorgarten ordentlich pflegt und die Ausländer alle eh nur Wirtschaftsflüchtlinge.“ Warmherzig bin ich, wenn ich meine/n Nächste/n nehme, wie er oder sie ist und akzeptiere: „Auch du bist ein von Gott geliebtes, wertgeschätztes Geschöpf.“ Warmherzigkeit ist wirklich wie ein weicher Schal, den ich dem/der Anderen wärmend um die Schultern legen kann in einer Gesellschaft, in der viel zu oft ein rauer, kalter Wind bläst. Während ich mir die Warmherzigkeit ausmale, merke ich schon: Es ist gar nicht so einfach mit der christlichen Uniform: Die Anderen akzeptieren, geduldig sein, sich selbst zurücknehmen…. „Doch!“, sagt Paulus. Gerade deswegen hat er sicherlich dieses Bild gewählt. Normalerweise ziehen wir uns jeden Tag an, ob Kostüm oder Chillhose oder Nachthemd. Kleine Kinder sind sehr stolz auf sich, wenn wie sich selbst anziehen können. Die über 80 jährige, liebenswerte Pfarrwitwe, die im Pfarrhaus Neuentempel wohnte, war sehr stolz darauf, dass sie sich in ihrem hohen Alter die Strümpfe selbst anziehen konnte, manchmal auf einem Bein stehend. Sich kleiden ist für uns eine Selbstverständlichkeit und oft auch Ausdruck unserer Persönlichkeit.
So ist es auch mit der christlichen Kleidung: Es ist selbstverständlich und alltäglich, sie anzuziehen, so wie wir uns eine Jacke überstreifen, wenn wir das Haus verlassen. Und so wie die Jacke schützt und wärmt, wärmen und schützen auch Geduld, Demut und Güte. Manchmal sind wir geneigt, über diesen Gedanken zu lächeln und zu sagen: „Nee, frech kommt weiter. Stark setzt sich durch. Geduld wird ausgenutzt.“ Ich denke, wir wissen aber sehr genau, dass Paulus recht hat: Unsere Gemeinschaft wäre ein besserer Platz für alle, wenn wir konsequent diese unsichtbare Kleidung trügen. Nur, merkwürdigerweise vergessen wir es, darum erinnert Paulus daran. Und er hat ein Mittel gegen dieses Vergessen: Wir sollen davon singen; denn was wir besingen, das prägt sich besonders gut ein.
Also singe ich mal wieder, diesmal allein und auf die bekannte Kinderliedmelodie den Text frei nach Paulus:
„Warmherzigkeit ist meine liebste Kleidung.
Warmherzigkeit ist alles, was ich tu‘.
Darum lieb ich die Warmherzigkeit,
weil Gott selbst warmherzig ist.“
Bleibt in diesem Sinne gut gekleidet,
Pfarrerin Rahel Charlotte Mielke
Evangelisches Gesangbuch 325:
1. Sollt ich meinem Gott nicht singen?
Sollt ich ihm nicht dankbar sein?
Denn ich seh in allen Dingen,
wie so gut er’s mit mir mein’.
Ist doch nichts als lauter Lieben,
das sein treues Herze regt,
das ohn Ende hebt und trägt,
die in seinem Dienst sich üben.
Alles Ding währt seine Zeit,
Gottes Lieb in Ewigkeit.
Amen.